45. Erlanger Kolloquium 2018

45. Erlanger Kolloquium 2018

Forschung ist per se immer spannend, denn alternative Ansätze und neue Ideen bringen Lösungen, die im besten Fall zu Innovationen werden, oder aber zumindest zu neuen Erkenntnissen führen. Sicher, nicht jedes Forschungsergebnis verändert die Welt, und manchmal besteht die Erkenntnis auch darin, dass es eben nicht so geht, wie man sich das gedacht hat.

Erlanger Kolloquium 2018

Das Kolloquium ist familiär genug, um zahlreiche Diskussionen und einen intensiven Austausch zuzulassen. Erstmals im Erlanger „Haus der Kirche“. 
© Sivantos

Wenn sich die 150 Teilnehmer beim Erlanger Kolloquium treffen, dann ist eines in den fünfzehn Fachvorträgen zwischen Audiologie, Biologie, Elektroakustik bis hin zur Signalverarbeitung garantiert: Spannung. Studienergebnisse aus den Forschungsprojekten der europäischen Universitäten, Forschungszentren und Industrieunternehmen laden ein, in familiärer Atmosphäre mit den Größen der internationalen, audiologischen Community diskutiert zu werden.

Die Welt für Schwerhörige verbessern

Die Gäste der traditionell von Sivantos (früher natürlich Siemens) ausgerichteten Veranstaltung erhalten Einblicke in die neueste Forschung und deren bisherigen Ergebnisse. So waren „klassische Themen“ wie zum Beispiel neue Erklärungsansätze für Tinnitus, binaurales Sprachverstehen oder auch neue Verifikationen von Cochlea Implantaten genauso ein Thema, wie die natürliche Wahrnehmung der eigenen Stimme oder künstliche, neuronale Netze. Alles unter der Maßgabe Hörschädigung durch disziplinübergreifende Zusammenarbeit besser zu verstehen und so Schwerhörigen noch besser zu helfen, so Dirk Junius, Gastgeber und Leiter der Audiologieentwicklung bei Sivantos.

Key Notes von Prof. Inga Holube und Prof. Andreas Maier

Als eines der Highlights stellte der Vortrag der Rednerin Inga Holube, Professorin an der Jadehochschule Oldenburg, eine neue Methode vor, um den akustischen Alltag und die individuellen Bedürfnisse von Schwerhörenden zuverlässig zu erfassen. Das vom Forschungskonsortium der Hörgeräteindustrie geförderte „Ecological Momentary Assessment“ ist ein Smartphone-basierter Ansatz, objektive akustische Informationen und subjektive Empfindungen zu verbinden. Besonders erwähnenswert ist, dass Professor Holube die knapp 2.000 Datensätze frei zur Verfügung stellt.

Hauptrednerin des ersten Tages: Prof. Inga Holube von der Jadehochschule Oldenburg.
© Sivantos

Den Störgeräuschen und den Algorithmen diese in Hörgeräten zu unterdrücken, widmete sich der zweite Key-Note Redner, Andreas Maier, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Abstraktion von Lösungen für bekannte Bild-Processing Probleme auf das Sprach-Processing, in Kombination mit den „Deep Learning“ Ansätzen der jüngsten Vergangenheit, ermöglicht ganz neue Anwendungen auf Grundlage der neuronalen Netze.

Nicht unerwähnt bleiben soll auch ein neues Konzept von Peter Jax, Stefan Liebich und Peter Vary von der RWTH Aachen zur natürlichen Wahrnehmung der eigenen Stimme. Eine Herausforderung, die jeder Hörakustiker bei seinen Kunden kennen dürfte und was sich zwischen unangenehmen Verschlussempfinden und Feedbackgeräuschen bewegt.

Das vorgestellte Active Occlusion Cancellation Concept bedient sich mehrerer nach innen und außen gerichteter Mikrofone und verarbeitet die Signale in Echtzeit durch digitale Filter. So wird das eigene Stimmempfinden, unabhängig von der Beschaffenheit des Hörkanals und der akustischen Umgebung, deutlich natürlicher.

45. Jubiläum des Kolloquiums

Damit war das mittlerweile schon zum 45. Mal stattfindende Erlanger Kolloquium wurde seinem Ruf  für Pionierleistungen erneut gerecht und könnte auch zum 140. Jahrestag der Erfindung des Telefonhörers durch Werner von Siemens mit hochinnovativen Blicken über den Tellerrand aufwarten.

Ob Werner von Siemens sich dessen bewusst war, dass er mit dieser Erfindung eine neue Industrie aus der Taufe hob? Und war den Teilnehmern des ersten Erlanger Kolloquiums 1973 klar, dass sich diese Fachtagung zu einer der beliebtesten und nachhaltigsten der Branche entwickeln würde? Wie so oft bei Pionierleistungen beweist erst die Zeit, wie zukunftsfähig eine Idee ist.