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Fit für gesellennahe Tätigkeiten – Earcademy bildet Hörberater aus

Fachkräftemangel ist das Thema in vielen Hörakustik-Fachbetrieben. Eine mögliche Antwort darauf sind Quereinsteiger. In vielerlei Hinsicht haben sich Weiterbildungen zum Hörberater als gewinnbringend erwiesen, wie sie beispielsweise der Hörgerätehersteller Signia anbietet. Doch auch herstellerunabhängig gibt es Wege, wie Quereinsteiger die Qualifikation Hörberater erlangen können. Eine solche Weiterbildung bietet nämlich seit 2020 auch die Earcademy in Recklinghausen an. Wir haben mit Initiator Alexander Trog und drei Absolventinnen gesprochen.

Fit für gesellennahe Tätigkeiten - Earcademy bildet Hörberater aus

Wer eine Ausbildung zum Hörakustiker absolvieren möchte, muss nicht unbedingt nach Lübeck, um die Schulbank zu drücken. Möglich ist das auch am Max-Born-Berufskolleg in Recklinghausen – ein Umstand, den sich die Earcademy zunutze macht. Denn im Austausch für kostenlose Angebote für die Schüler des Berufskollegs, darf die Earcademy die Räume und technische Ausstattung für ihre Kurse nutzen: Otoplastiklabor, 3D-Drucker, Anpasskabinen, eben alles, was man für eine optimale Lernumgebung braucht.

Talentschmiede für die Hörakustik

Alex Trog hat die Earcademy in Recklinghausen 2020 ins Leben gerufen.
Alex Trog hat die Earcademy in Recklinghausen 2020 ins Leben gerufen.

Die Earcademy wurde 2020 gegründet, mitten in der anlaufenden Corona-Pandemie. „Wir sind also direkt in eine Phase mit vielen Schulschließungen gestartet. Die ersten eineinhalb Jahre war alles sehr holprig“, erinnert sich Alexander Trog, Leiter der Earcademy. „Das hat sich mittlerweile zum Glück stabilisiert. Seit letzten Sommer haben wir eine hohe Auslastung, was die Kurse angeht.“

Das Angebot befasst sich neben zusätzlichen Otoplastik- und Prüfungsvorbereitungskurse vor allem solche für Quereinsteiger: „Der Fachkräftemangel wird sich immer weiter verschärfen“, begründet Trog die Relevanz eines solchen Kurs. „Es gibt immer mehr Fachgeschäfte, aber die Anzahl der Beschäftigten steigt nicht. Das kann gar nicht nur mit Azubis gelöst werden, auch deshalb, weil es in ganz Deutschland nur drei Berufsschulen für Hörakustiker gibt.“

Fachpersonal soll entlastet werden

Die Quereinsteiger-Weiterbildung zum Hörberater seien deshalb auf optimale Entlastung der Fachkräfte ausgelegt: „Bereits nach der ersten Woche sollen die Quereinsteiger einen Mehrwert fürs Fachgeschäft bringen. Jede Woche bekommen sie Hausaufgaben, die sie im Fachgeschäft umsetzen können. Begleitend dazu gibt es eine App, die theoretisches Wissen von Zuhause aus vermittelt. Abschließend finden eine theoretische und eine praktische Prüfung statt.“

Die Earcademy lege bei ihrem Quereinsteiger-Kurs großen Wert auf Praxis. Bei zwei Dozenten pro Kurs seien es deshalb nicht mehr als acht bis zehn Teilnehmer. Aufgeteilt sei die Weiterbildung in zwei aufeinander aufbauende Kurse, die jeweils zweimal pro Jahr angeboten würden, erklärt Alexander Trog: „Das sind jeweils vier Blöcke à fünf Tage, abwechselnd zur Präsenzzeit im Betrieb: eine Woche Kurs, ein bis zwei Wochen Fachgeschäft hat sich als optimal herausgestellt. Wenn man im Januar mit dem ersten Kurs startet, ist man im Mai fertig. Startet man dann im August mit dem zweiten Kurs, hat man im Dezember alles durchlaufen.“

Earcademy-Hörberaterin Anna F.

Nach dem Probearbeiten im Fachgeschäft wurde Anna F. gefragt, ob sie Lust auf die Weiterbildung hat, da es schwer sei Fachkräfte zu finden. Durch die Hörberater-Ausbildung hat sich ihr Arbeitsalltag sehr verändert. Nun hat sie mehr Hintergrundwissen, mit dem sie selbstbewusster arbeiten und auf Kunden zugehen kann. Am häufigsten greift sie auf die Audiometrie und die Hörgeräteeinstellung zurück. Diese Inhalte braucht sie fast täglich, um die Bedürfnisse der Kunden herauszufinden und die Hörgeräte entsprechend einzustellen.

Earcademy-Hörberaterin Corinna P.

Corinna P. wollte durch die Weiterbildung mehr Fachwissen und Sicherheit während der Anpassitzungen erlangen. In der Earcademy konnte sie ungeniert alle Fragen stellen, die während der oft zu kurz geratenen Einarbeitung nicht beantwortet werden konnten. Seitdem muss sie sich viel seltener an die Meister und Akustiker im Fachgeschäft wenden, egal ob bei der Anpassung, der Messung oder der richtigen Wahl der Otoplastik. Vor allem die Erstellung und Ausarbeitung der Ohrpassstücke sind Fähigkeiten, die sie nun regelmäßig nutzt.

Earcademy-Hörberaterin Monja E.

Monja E. war auf der Suche nach einer sinnvollen Veränderung in ihrem Berufsleben. Da das Arbeitsamt die Umschulung zur Hörakustikerin an der LBS in Lübeck abgelehnt hatte, finanzierte sie sich die Kurse an der Earcademy selbst – und bereute es nicht. Die Kurse haben es ihr ermöglicht, sich im komplexen Fachbereich zurechtzufinden. Learning by doing hat sie zu Beginn die Meisterin bei der Anamnese bis zum Abschluss unterstützt. Nun erledigt sie viele dieser Dinge selbstständig: Von der Beratung bis zu vollständigen Hörgeräte-Anpassungen.

Fit für gesellennahe Tätigkeiten

Ob beide oder nur einer von beiden Kursen absolviert werden würden, sei abhängig vom Vorkenntnisstand und der gewünschten Vertiefung. Grundsätzlich sei das Ziel, die Quereinsteiger fit für gesellennahe Tätigkeiten zu machen: „Im ersten Kurs geht es um Ohrabformungen, Ton- und Sprachaudiometrie mit Vertäubung, bewussten First-Fit. Der zweite Kurs vertieft die Inhalte des ersten, geht aber mehr auf Beratung, Technik und Feinanpassung ein. Teilnehmer, die beide Kurse absolviert haben, können sozusagen den Mainstream der Schwerhörigen versorgen – also die typische Altersschwerhörigkeit ohne Komplikationen.“

Doch die Erfahrung zeigt: „Bereits nach dem ersten Kurs kann man die Mitarbeiter schon dramatisch entlasten: „Das, was Zeit kostet, sind Audiometrie und Ohrabformung. Es macht viel aus, wenn der Geselle das nicht machen muss. Die meisten absolvieren aber beide Kurse. Leider kommt es trotzdem auch vor, dass die fertigen Hörberater dann im Fachgeschäft doch wieder verdonnert werden, Batterien zu verkaufen.“

Gute Aussichten auf berufliche Zukunft

Selbstverständlich herrsche trotz allem weiterhin Meisterpflicht. Haftungsrechtlich dürfe der Hörberater alles, was auch ein Geselle darf. Ein Quereinsteiger könne sich sogar zur Meisterprüfung anmelden, solange er drei bis vier Jahre in dem Arbeitsfeld gearbeitet habe. Die einzige Bedingung: eine abgeschlossene Ausbildung in einem handwerklichen Beruf.

Die Ausbildung von Hörberatern als Strategie für die Bekämpfung des Fachkräftemangels ist vielversprechend – auch deshalb, weil Quereinsteiger in der Regel hochmotiviert sind. Und vielleicht ist dies ein Wandel, den die Hörakustik-Branche nicht nur nötig hat, sondern der das Bild des Berufs auch nachhaltig positiv verändert – dem Fachkräftemangel zu Trotze. Mehr Informationen zur Hörberater-Weiterbildung an der Earcademy finden Sie hier.

Zum Weiterlesen:

Presseinfo: EUHA-Fortbildungskurs Audiotherapie

Initiative: BestAkustik startet Azubi-Kampagne Lea

Was, wie, warum? So läuft die Hörberater-Weiterbildung von Signia ab

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