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Hörakustiker dürfen Cerumen entfernen

„Oh, das tut mir leid, Sie haben Ohrenschmalz im Gehörgang! Bevor wir mit der Versorgung fortfahren, vereinbaren Sie doch bitte einen Termin beim HNO-Arzt zur Reinigung.“ Solche Situationen spielten sich täglich in Hörakustik-Fachbetrieben ab. Die Kunden mussten zunächst zum HNO-Arzt gehen und kamen – wenn überhaupt – erst Wochen später wieder. Die neue Meisterprüfungsverordnung bringt Rechtsklarheit. Wir haben mit Dr. Frederick Hahn gesprochen, Leiter der Abteilung Fort- und Weiterbildung an der Akademie für Hörakustik Lübeck, verantwortlich für den neuen Kurs „Cerumenmanagement“.

Hörakustiker dürfen Cerumen entfernen
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Dr. Frederick Hahn von der Akademie für Hörakustik hat den Kurs „Cerumenmanagement“ ins Leben gerufen.

Seit 2017 werden nicht mehr Hörgeräteakustiker, sondern Hörakustiker ausgebildet. Die Namensänderung war Teil einer neuen Gesellenprüfungsverordnung, genauso wie die Ergänzung des Schulungsprogramms. Im Sommer 2022 folgte nun endlich die Aktualisierung der Meisterprüfungsverordnung und mit ihr die Aufnahme einer Tätigkeit, die Hörakustikern die Arbeit immens erleichtert: Endlich ist ausdrücklich geregelt, dass Hörakustiker-Meister Cerumen entfernen dürfen – ausschließlich Meister. Dr. Frederick Hahn erklärt: „Die Hörakustik ist ein gefahrengeneigtes Handwerk. Deswegen herrscht Meisterpflicht. Nur der Meister darf die Lage beurteilen.“

Hörakustiker als Gatekeeper für die Ohrgesundheit

Das Meisterberufsbild war 25 Jahre alt, bevor es 2022 reformiert wurde, ordnet Hahn ein. „Cerumen beeinflusst naturgemäß das Hören und die Hörsystemversorgung. Die richtige Beurteilung ist dabei natürlich immens wichtig: Handelt es sich um Cerumen, das man schnell entfernen kann? Oder handelt es sich um ein Problem, das sich ein Arzt anschauen sollte – etwa eine Entzündung oder ein Fremdkörper? Hörakustiker werden von Hörsystemträgern viel häufiger aufgesucht als HNO-Ärzte. Der Akustiker kann hier der Gatekeeper bei der ganzheitlichen Beurteilung der Ohrgesundheit sein.“

AFH bietet Kurs „Cerumenmanagement“ an

Um einerseits genau das richtig beurteilen und andererseits Cerumenentfernung gefahrenfrei üben zu können, bietet die Akademie für Hörakustik (afh) in Lübeck eine neue Weiterbildung an: „Unser Kurs soll Akustikern die verschiedenen Verfahren und Geräte vorstellen. Das ist ein Teil eines umfangreicheren Praxisworkshops. Zum Üben, verwenden wir künstliche Köpfe mit anatomisch realistischen Ohren. Die zwölf Übungsköpfe wurden vom Bildungsministerium gesponsert. Mit einer Kamera kann man beobachten, was im Gehörgang passiert. Das Ganze ist sehr lebensnah gestaltet: Nicht irgendein Gerät, sondern wirklich ein simulierter Kunde, aber völlig ungefährlich. Die praxisnahe und dennoch sichere Simulation bietet ein ideales Übungsumfeld. Mit der im Ohrsimulator eingebauten Kamera kann die Arbeit an den Probanden genau – das heißt von innen – beobachtet werden. So können die Dozierenden alle Arbeitsschritte genau überprüfen, bei Gefährdung rechtzeitig einschreiten und den (angehenden) Meistern direkt Rückmeldung geben. Der Praxisworkshop wird mit einem Teilnahmezertifikat abgeschlossen.“

Hahn fügt an, dass dieser Kurs vor allem als Ergänzung für diejenigen geeignet sei, die den Meister bereits in der Tasche hätten. In den Meisterkursen sei die Ohrenreinigung seit diesem Schuljahr fest integriert.

Ein Prozess durch sämtliche Instanzen

Initiiert wurde die Änderung der Meisterprüfungsverordnung von der biha, formell angestoßen durch den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). „So ein Prozess dauert ungefähr drei bis vier Jahre. Da sind alle Stakeholder involviert, Hörakustiker, Gewerkschaften, das Wirtschaftsministerium, weil es Handwerk ist, das Bildungsministerium, weil es um eine Weiterbildung geht und natürlich auch das Gesundheitsministerium. Im Endeffekt entsteht dabei dann ein Gesetz, das vom Bundestag verabschiedet wird“, beschreibt Dr. Frederick Hahn. Der Gesetzestext kann hier nachgelesen werden: https://www.buzer.de/gesetz/15236/index.htm

Jetzt ist es klar geregelt: Hörakustiker-Meister sind berechtigt, Cerumen im Rahmen der Hörsystemversorgung aus Gehörgängen zu entfernen. In näherer Zukunft soll es weitere Spezialseminare geben, die Inhalte des neuen Berufsbildes auch denen anbieten, die Interesse haben, aber bereits ihre Meisterprüfung abgelegt haben, online und in Präsenz: „Denkbar wären da zum Beispiel die Themen Ex-Hörer-Otoplastiken, objektive Messverfahren oder der Umgang mit dementen Kunden – da gibt es Strategien, um es für beide Seiten einfacher zu machen.“ Man darf gespannt sein.

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