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Markt: Konsolidierung verliert an Schwung

Konsolidierung Teaser

Hörakustik-Markt konstant wachsend

Die biha zählt aktuell 6.800 Hörakustik-Fachgeschäfte. Vor vier Jahren waren es noch 6.000 Geschäfte. Die Anzahl der Hörakustikfachbetriebe wächst also. Per se ein gutes Zeichen für die Gesamtheit lokaler, kleinerer und damit unabhängiger Unternehmen. Hatte man geglaubt, die „großen Ketten“ sind massiv auf dem Vormarsch und sorgen für eine Konsolidierung, sprechen aktuelle Zahlen im Kontext der gesamten Marktstruktur durchaus eine andere Sprache.

Für 2019 und auch für 2020 galt: Nie wurden mehr Betriebsstätten gezählt, nie wurden mehr Hörsystem verkauft. Jahrelang war die viel besagte Begriff der Marktkonsolidierung von Hörakustikläden durch Großfilialisten wie Amplifon, Geers, Kind und Co. deutlich spürbar. Gemeint waren strukturelle Veränderungen zugunsten der Filialisten. Immer wieder gab es Meldungen wie „Hörakustikkette übernimmt Fachgeschäfte“. Auch die Ketten selbst machten keinen Hehl um ihre Vorhaben und gaben teils hochmotivierte Expansionspläne bekannt. Aussagen, die von regionalen Unternehmen durchaus mit Sorge betrachtet wurden: Verändern Großfilialisten die traditionelle Hörakustiklandschaft nachhaltig?

Doch es wurde gefühlt stiller um die Expansionsmachenschaften– so zumindest unser subjektiver Eindruck. Um unseren Vermutungen auf den Grund zu gehen, fragten wir direkt bei einigen der wichtigsten Großfilialisten nach.

Amplifon mit Eigenmarke und Akademie

550 Fachgeschäfte zählt die italienische Fachhandelskette aktuell in Deutschland. Zusätzlich gründete Amplifon 2017 ein eigenes Ausbildungszentrum und mit Ampli-Hörgeräten verkauft das Unternehmen seine eigene Marke. Seit jeher wuchs Amplifon vor allem durch den Aufkauf bestehender Filialen – sowohl im In- als auch im Ausland. Ein riesiger Sprung passierte 2017: Aus 405 Filialen wurden innerhalb von nur ein paar Monaten 470. Bis 2019 kamen nochmal 80 hinzu. In diesem Zuge verkündete Amplifon: Bis 2024 sollten weitere 200 Geschäftsübernahmen stattfinden – so weit, so gut. Bei unserer Recherche fiel uns jedoch auf, dass sich seit knapp zwei Jahren nichts mehr getan hat. Nach wie vor befinden sich in Deutschland etwa 550 Hörakustik-Läden unter dem Namen Amplifon.

Geers und Sonova Retail

Sonova-Akademie-Dortmund
Sonova Akademie in Dortmund 
© Sonova

Geers gehört offiziell zur Sonova Gruppe. Während Amplifon zunehmend die Hausmarke in den Vordergrund stellt, fungieren Geers-Filialen vorranging für die Konzerneigenen Produkte. Mit aktuell 745 „Geers“ Fachgeschäften in Deutschland gehört die Kette zwar nach wie vor zu den führenden, doch auch hier könnte man Stagnation vermuten.

Zuletzt machte Geers 2019 von sich Reden: Im Sommer 2019 übernahm der Filialist 64 Hörgeräte ISMA-Fachgeschäfte. Mit der Umbenennung der 250 ebenfalls zu Sonova gehörenden Vitakustik Filialen schaffte Geers es im selben Jahr schließlich an die Spitze: 820 Fachgeschäfte unter dem Namen Geers verkündeten die Vertreibung des Platzhirschen Kind.

Die Reduktion auf die heutige Anzahl von 745 Läden hängt mit Sicherheit auch mit einer synergetischen Konzentration und partiellen Zusammenlegungen im Zuge der Umfirmierungen dieser Fachgeschäfte zusammen. Im letzten Jahr gab es keinen nennenswerten, größeren Veränderungen. Eine groß angelegte TV Kampagne rund um den bekannte Gesicht Thomas Gottschalk ließ zumindest andeuten: Die Prioritäten wurden – zumindest momentan – vermutlich anders gesetzt. Und zwar auf Werbung und Markenbildung.

Kind Hörgeräte

Die Großburgwedeler galten lange als alleiniger Marktführer unter den Hörakustik-Filialisten. Mit nach eigenen Angaben über 700 Fachgeschäften im In- und Ausland dürfte sich das Unternehmen knapp hinter Sonova Retail mit Platz 2 begnügen.

Konsolidierung-Grafik

2011 gab Kind bekannt, künftig jedes Jahr um 50 Filialen wachsen zu wollen. Das langfristige Ziel: Von damals noch 500 Fachgeschäften auf 800 wachsen. Dieses Expansionvorhaben ging augenscheinlich schleppender voran, als geplant. Erst 2016 wurde die 600er-Marke geknackt. Bis heute wuchs das Unternehmen durchschnittlich um 20 statt 50 Filialen pro Jahr – aber immerhin: den angestrebten 800 wird sich langsam, aber stetig genähert. Eine Bremse für die Konsolidierung könnte eine Interessensverschiebung gewesen sein: Kind baute nachhaltig die Eigenmarke aus. Und außerdem wagte das Unternehmen 2016 einen völlig neuen Schritt: den Einstieg in die Augenoptik-Branche. Hier zählen die Niedersachsen 64 Fachgeschäfte (Stand 2020). Wir erinnern an den „bizarren Brillenkrieg“

Das geht übrigens auch andersherum. Zwar nicht ganz so schnell wachsend, führen Augenoptik-Ketten wie Fielmann und Apollo zunehmend auch Hörgeräte. Fielmann wuchs dabei seit 2015 von 123 auf 190 Filialen. Apollo hat derzeit 53 Fachgeschäfte, die einen Hörakustik-Service anbieten. Informationen zu weiteren Expansionsvorhaben gaben beide Unternehmen auf Anfrage nicht bekannt.

Also – wie steht es um die Konsolidierung?

Auch wenn das Wachstum gebremst scheint, sind die Filialisten nicht untätig – Viele der Großfilialisten erweiterten in den letzten Jahren ihren Fokus – sei es durch die Gründung von Hörakustik-Akademien, Personalmarketing, durch die Konzentration auf eigene Marken, Werbung und Ergebnissteigerungen oder durch einen Einstieg in weitere Branchenzweige wie die erwähnte Augenoptik.

Eines ist sicher: An Liquidität mangelt es den großen Playern nicht. Die Frage ist nur: Wann geht es weiter und wie sehen die nächsten Schritte aus?

Zum Weiterlesen:

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