Home | Produkte | OTC ist nicht gleich OTC?
Produkte

OTC ist nicht gleich OTC?

So nehmen Hersteller den Hype mit

OTC-Hörgeräte sind in den USA in aller Munde. Und auch hierzulande diskutiert man über die neuen rezeptfreien Hörgeräte – auch, weil mit Jabra (GN) und Sennheiser (Sonova) bereits zwei Hersteller ihre Geräte in deutschen Startlöchern positioniert haben. Während des Recherchierens fiel uns jedoch auf: Viele dieser als OTC bezeichneten Hörgeräte sind eigentlich gar keine OTCs. Hersteller wie Sony, Jabra oder Eargo nutzen den Begriff dennoch für ihre Vermarktung.

OTC ist nicht gleich OTC?

Unterschiedliche Klassifizierungen und Regularien für ein und dasselbe Produkt – so scheint es. OTC oder nicht? Die neue FDA-Kategorie der OTC-Hörgeräte in den USA stiftet Verwirrung. Wer hier durchblicken will, muss die Historie kennen.

Der Weg zum OTC-Hörgerät

Zuerst gab es in den USA zwei Kategorien für Hörgeräte: wireless und non-wireless. Beide waren nur mit einem Rezept erhältlich und erforderten eine professionelle Anpassung durch einen Audiologen.

Dann kam das selbstanpassbare Hörgerät von Bose. Der Hersteller reichte bei der FDA einen sogenannten 510(k) Antrag ein, der diverse Studienergebnisse enthielt, die bestätigten, dass die Nutzung sicher und wirksam sei. Die FDA sprach dem Bose-Gerät eine neue Sonderkategorie zu: Self-Fitting-Hearing Aid. Schließlich dauerte der Prozess der FDA, ein für alle gültiges, eindeutiges OTC Rahmenwerk zu schaffen, bis dato schon viel zu lange an. Die 510(k) Zulassung erlaubte den Online-Vertrieb ohne Rezept, ohne professionelle Anpassung – gewissermaßen ein OTC-Hörgerät durch die Hintertür. Dem Beispiel folgten andere Hersteller, während Bose seine Geräte bald wieder vom Markt nahm – vorerst.

Schließlich kam die langersehnten OTC-Kategorie. Die FDA baute im Wesentlichen auf den Self-Fitting-Regularien auf, ergänzte Anforderungen an Verpackungskennzeichnungen, passte Sicherheitsvorgaben wie die Maximalverstärkung oder die maximale Einführtiefe an und erweiterte den Online-Vertrieb auf Geschäfte wie Supermärkte oder Apotheken.

Viele OTC-Hörgeräte sind gar keine

OTC
Sony, Jabra, Lexie by Bose, Eargo: Die OTC-Hörgeräte all dieser Hersteller sind per Definion gar keine OTC-Hörgeräte.

In unserem letzten Artikel zu diesem Thema hatten wir überlegt, welche Bauform sich wohl durchsetzen würde. Nun überraschte uns, wie viele der dort aufgeführten Produkte eigentlich gar nicht in diese Kategorie gehören.

Eines der beiden Sony-Hörgeräte beispielsweise, das CRE-10, ist regulär kein OTC-Hörgerät, sondern ein Self-Fitting-Hörgerät. Der Grund: In das FDA-Register wurde das Hörgerät unter dem Namen Vibe SF Self-Fitting Hearing Aid eingetragen, bereits vor den OTC-Regularien. In Zuge der neuen Kategorie nutzte Hersteller WSAudiology seine Markenkooperation mit Sony, um auf den Zug aufspringen zu können. Ähnliches gilt auch für die Lexie powered by Bose-Hörgeräte, die eine Neuauflage des ersten Self-Fitting Hearing Aid von Bose darstellen.

Der Hersteller Jabra trat mit zwei OTC-Hörgeräten an den Markt, die ebenfalls keine sind. Das Jabra Enhance Plus bewegt sich genauso wie Sony CRE-10 und Lexie powered by Bose in der Self-Fitting Kategorie – als Bose-Nachzügler schaffte es das Hörgerät ebenfalls bereits vor der Finalisierung der OTC-Regularien auf den Markt. Das RIC-Gerät Jabra Enhance Pro hingegen ist als traditionelles Hörgerät bei der FDA registriert, also verschreibungspflichtig und professionell an den Hörverlust anzupassen.

Trotzdem bieten Hersteller wie Jabra oder auch Eargo – per Definition ebenfalls Hersteller verschreibungspflichtiger, traditioneller Hörgeräte – ihre Produkte nun als OTC-Hörsystem online an. In einer Pressemitteilung äußerte sich beispielsweise Eargo wie folgt: „Basierend auf unserer ersten Überprüfung der endgültigen Regelung glauben wir, dass Eargos weiterhin gemäß den bestehenden Vorschriften verkauft und als OTC-Hörgeräte eingestuft werden können, sofern die Kennzeichnung und andere Anforderungen der endgültigen Regel eingehalten werden. Beispielsweise glauben wir, dass die derzeit auf dem Markt befindlichen Eargo-Geräte innerhalb der Vorgaben der FDA bezüglich Ausgangsleistung und Einsetztiefe liegen.“ Übersetzt: Hersteller wie Eargo erfüllen laut eigenem Ermessen die Anforderungen für OTC-Hörgeräte und sehen sich deshalb zum Direct-to-Consumer-Vertrieb legitimiert.

Was heißt das nun?

Die OTC-Kategorie wurde durch die US-amerikanische FDA initiiert, um zum einen preiswerte Hörgeräte anbieten zu können und zum anderen einen sicheren Umgang mit rezeptfreien Hörlösungen zu gewährleisten. Letzterer Aspekt wird relativiert, wenn es zusätzlich zur finalen OTC-Kategorie weitere gibt, die weniger strengen Regularien unterliegen. Der Unterschied zwischen OTC- und Self-Fitting-Hearing Aids mag für den Endnutzer marginal sein. Hersteller traditioneller Hörgeräte wie Eargo müssen jedoch keine Studien zu Sicherheit und Wirksamkeit bezüglich der Einstellung durch den Nutzer vorweisen, da die Produkte ursprünglich für die professionelle Anpassung bestimmt waren. Laut hearingtracker.com hat Eargo bis zum 18. April Zeit, die Anforderungen an die OTC-Bestimmungen anzupassen. Alle, die bis dahin auf Nummer sicher gehen wollen, sollten sich bei „richtigen“ OTC-Hörgeräten umschauen.  

Zum Weiterlesen: 

OTC-Hörgeräte: Diese Modelle gibt es

Neue EUHA-Fortbildung: Teleservice in der Hörakustik

Hörbooster auf Knopfdruck: Starkeys Edge Modus-Update bewirkt signifikante Hörverbesserung