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Rezeptfreie Hörgeräte: WS Audiology schließt Partnerschaft mit Sony

Ab Oktober 2022 dürfen in den USA rezeptfreie, selbstanpassende Hörgeräte vertrieben werden. Da diese ausschließlich für leichte Hörminderungen gedacht sind, können sie unabhängig von Arzt oder Audiologe verkauft werden. Es entsteht eine vollkommen neue Produktkategorie für Hörlösungen für eine neue, große Zielgruppe: Menschen mit leichter Schwerhörigkeit, die keine Hörgeräte tragen. Um auch in diesem Segment tätig zu werden, kündigte der Hörgerätekonzern WS Audiology (WSA) eine Partnerschaft mit dem japanischen Consumer Electronics-Riesen Sony an.

Rezeptfreie Hörgeräte: WS Audiology schließt Partnerschaft mit Sony

OTC-Hörgeräte kurbeln den US-Markt an

WHO, World on Hearing Report 2021
Enormes Potenzial: Hörgerätehersteller gehen davon aus, dass ein Großteil der Menschen mit leichten Hörverlust („mild“) unversorgt ist.
Grafik: WHO, World on Hearing Report 2021

Rezeptfreie Hörgeräte – die neuen Regelungen der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA für die neue Hörgerätekategorie schlagen hohe Wellen. Der Hörgerätemarkt in den USA wurde bislang von einigen wenigen großen Herstellern dominiert. Nun eröffnet sich ein völlig neues Feld, das es zu beackern gilt. US-Präsident Biden selbst gab an, durch die neue OTC-Kategorie auch den Wettbewerb ankurbeln zu wollen – und das ist ihm offensichtlich gelungen.

Während es innerhalb der ursprünglichen Kategorie der rezeptpflichtigen Hörgeräte wenig Bewegung geben dürfte – die Vorgaben bleiben schließlich dieselben – sehen in der neuen OTC-Kategorie nun viele Hörgerätehersteller die Chance, endlich auch die ungleich größte Gruppe der schwerhörigen Menschen zu erreichen: Menschen mit leichtem Hörverlust.

Diese Gruppe ist Hörgeräten gegenüber oft noch kritisch eingestellt: Hörgeräte seien nur für alte Leute. Auch die Kosten sind ein Grund und der mit der Versorgung verbundene Aufwand, einen Audiologen zu konsultieren – gerade in einem Flächenland wie den USA.

Eine Chance, Hörgeräte neu zu denken

Die OTC-Regelungen beschreiben frei im Handel erhältliche Hörgeräte zum Selbstanpassen. Ergo: Kein Arzt, kein Audiologe, einfach im Laden oder Internet kaufen und zuhause über eine App einstellen. Damit sind einige Hürden weggeschafft, die US-Bürger an der Hörgeräteversorgung hindern.

Deshalb ergreifen viele Hörgerätehersteller nun die Chance, endlich auch mit dem leidigen Stigma aufzuräumen – Hörgeräte brauchen ein neues Image, können jetzt von Grund auf neu gedacht werden. Und deshalb ist es nicht nur der Hersteller WS Audiology, der sich mit Sony einen starken Partner für dieses Vorhaben sucht.

Andere Konzerne sind hier bereits aufgestellt: Sonova übernahm letztes Jahr sicher nicht ganz zufällig die Consumer Sparte von Sennheiser. Und der GN -Konzern vereint seit eh und je zwei Segmente unter einem Dach: Die Marke Jabra mit Kopfhörern und Earbuds und ReSound mit Hörgeräten. Umittelbar nach der FDA-Ankündigung gab GN bekannt, dass das Unternehmen eine OTC-Zulassung für sein Jabra Enhance Plus-Gerät lanciert. Vermutet werden darf auch, dass Philips, die 2019 eine Kooperation mit dem Hörgerätekonzern Demant eingegangen sind, mit entsprechenden Produkten nicht lange auf sich warten lassen wird.

Überall ist die Story die gleiche: Eine starke Consumer-Marke mit Kompetenzen in den Bereichen Vertrieb, Elektronik und hohen Stückzahlen trifft auf einen Konzern mit Fachkenntnis über Audiologie und Sprachverbesserung. So auch bei WSA und Sony.

WSA und Sony kombinieren Fachkompetenzen

Dr. Maarten Barmentlo, Chief Marketing Officer und President OTC bei WS Audiology, zeigte sich in einer Pressemitteilung begeistert von der strategischen Allianz: „Sony wurde aus Leidenschaft für Klangqualität gegründet – und dem Wunsch, die Grenzen der Audiotechnik zu erweitern. Unsere gemeinsame Passion für den bestmöglichen Klang hat uns zusammengebracht. Mit dem renommierten Markennamen und dem Vertriebsnetz von Sony können wir einen großen Schritt nach vorne machen.“

Die gemeinsamen Produkte sollen unter dem Namen Sony herauskommen, zunächst im Testmarkt USA. Beide Unternehmen wollen dazu ihre Kernkompetenzen vereinen: Sony bringt langjährig entwickelte Audio- und Produktminiaturisierungstechnologien sowie eine breite Vertriebs- und Serviceinfrastruktur mit. Und durch WS Audiology fließt Know-how in der Signalverarbeitung, Audiologie und Anpassungstechnologie aus dem B2B2C-Vertriebskanal ein.

Wie das neue Produkt aussehen wird, soll erst bekanntgegeben werden, wenn auch das Launch-Datum feststeht. Was wir jetzt schon wissen: Es wird in den USA ohne Rezept erhältlich sein und via App-Hörtest an die individuelle Schwerhörigkeit anpassbar sein – ganz im Sinne der OTC-Regelungen eben. Außerdem werden diese Hörgeräte eine Maximalausgangsleistung von 111 dB haben, bewegen sich also unterhalb der Leistung rezeptpflichtiger Hörgeräte.

Ist die Entwicklung dieser neuen OTC-Hörgeräte für die europäische Hörakustik-Fachwelt eine gute Nachricht? Grundsätzlich könnte man sie weniger als Konkurrenz sehen, sondern vielmehr als eine Bereicherung, eine Ergänzung des Angebots für schwerhörige Menschen – ein Einstieg in die Welt des besseren Hörens mit starken Marken. Das Stigma „Hörgerät“ wäre dann endgültig passé. Fakt ist auch, wenn die ersten Produkte und damit Erfahrungen erstmal auf dem Markt sind, entsteht eine vollkommen neue Dynamik.

Zum Weiterlesen:

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