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Sonova übernimmt Sennheiser: Hintergründe zur Übernahme

Zukunftsmarkt Earbuds und Kopfhörer

Erst kürzlich machte der Sonova-Konzern mit einer Earbud TV-Lösung namens HelloGO von sich Reden. Jetzt scheinen sich die Ambitionen im Segment Unterhaltungselektronik zu bestätigen: Mit der angekündigten Übernahme der „Consumer Devision“ von Sennheiser gelingt den Schweizern ein Paukenschlag, der eine Entwicklungsoption der gesamten Hörakustik verdeutlicht.

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„Uns verbindet nicht nur die Leidenschaft für einzigartige Audioerlebnisse“, sagt Daniel Sennheiser, Co-CEO bei Sennheiser. Weiter: „Wir sind überzeugt, dass Sonova das Sennheiser Consumer Business langfristig stärken und die großen Wachstumschancen ausschöpfen wird“. Großes Potenzial sehen beide Partner insbesondere im Markt für sprachoptimierte Hearables sowie für True Wireless und High End-Kopfhörer.

Dabei wurden gerade Earbuds von Hörgeräte-Experten bisher eher argwöhnisch betrachtet: zu klobig, ein blecherner Transparency Mode und wenig Akku-Laufzeit. Von Audiologie ganz zu schweigen. Die Marken Nuheara und Olive zeigten, dass es doch geht. Die Grenzen zwischen beiden Welten vermischen sich darüber hinaus. Schließlich stellte Signia unlängst mit dem Active ein Earbud-Lookalike-Hörgerät vor: Deutlich kleiner, mehr Akku-Laufzeit und Streaming.

Mit der Übernahme macht Sonova deutlich, wohin die Reise gehen wird. Audiologisches Know-How gepaart mit Expertisen aus der distributionsstarken Consumer Electronics-Branche für situative Hörerlebnisse fürs Fernsehen, Telefonieren und Musikhören.

Consumer Devision von Sennheiser

Die Consumer Devision umfasst vor allem In-Ear- und Over-Ear-Kopfhörer und Soundbars mit einem Gesamtumsatz von 393 Mio € im letzten Geschäftsjahr. Neben dieser führt Sennheiser eine Professional Systems Devision (363 Mio €), also professionelle Mikrofone, Kopfhörer, In-Ear-Monitors und Drahtlossysteme für Film- und Fernsehproduktionen, DJs, Bands, Studios, Rednerpulte und Büros.

Sonova gibt in einer Pressemitteilung für die Consumer-Sparte von Sennheiser einen jährlichen Umsatz von rund 250 Mio. € und 600 Mitarbeitende an. Offenbar sind nicht alle Teile der Consumer Sparte affektiert. Den Kaufpreis in Höhe von 200 Mio. € begleicht Sonova aus der sprichwörtlichen Kasse, also „aus vorhandenen Mitteln“.

Im Februar bereits kündigte Sennheiser an, sich künftig auf den Geschäftsbereich Professional zu konzentrieren und für den Consumer-Bereich eine Partnerschaft anstreben zu wollen. Der Kopfhörermarkt verzeichnete gerade in den letzten Jahren eine hohe Marktdynamik und einen starken Wettbewerbsdruck. In ihm schlummern aber weiterhin große Wachstumspotenziale, trotz der Tatsache, dass viele bekannte Marken wie Samsung, Apple, Google, Motorola, Sony & Co. enorm viele Modelle auf den Markt gebracht haben.

Dass einige dieser Marken auch auf die immernoch ausstehenden FDA-Regulatorien für OTC-Hörgeräte in den USA warten, ist hinlänglich bekannt.

Sonova erweitert Produktpalette

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Zusätzliches Wachstumsfeld Hearables, potenzielle Hörgeräte-NutzerInnen früher ansprechen, Synergien bei Klang und Audiologie: Folie aus der Präsentation für die Medienkonferenz am 7. Mai 2021

In der Sonova-Mitteilung heißt es: „Die Akquisition unterstützt ein wichtiges Element der Strategie von Sonova – immer mehr Kunden zu erreichen, egal wo ihr Weg zu gutem Hören beginnt“. Dieser Maxime folgt der Konzern schon seit einigen Jahren mit dem Geschäftsbereich eSolutions, zu dem auch die myPhonak App, Hearing Screener und die AudiogramDirect zählen.

Sonova unterstreicht, dass persönliche Audiogeräte mittlerweile zum täglichen Leben gehören und die Interaktion mit digitalen Geräten zunehmend sprachgesteuert ist. Bei altersbedingtem Hörverlust könnten in einem ersten Schritt nicht-medizinische Lösungen situativ das Hörvermögen unterstützen. Diese Entwicklung könne auch die Akzeptanz von Hörgeräten erhöhen und den traditionellen Hörgerätemarkt erweitern.

Hörgeräte und Earbuds

Der einzige Hörgeräte-Konzern, der im Bereich Kopfhörer, Headsets und Earbuds aufgestellt ist, ist bekannterweise GN mit seiner Marke Jabra. Vor vier Jahren wandelte auch Starkey eine Art Kooperation mit Bragi und seinem The Dash Pro an. Bragi hat 2019 allerdings das Kopfhörer-Geschäft verkauft und kümmert sich seitdem um Systemsoftware. Spannend: 2018 kündigte Bragi das Project Ears und eine Partnerschaft mit Mimi Hearing Technologies an. Das Ziel: In-Ears mit Funktionen zur Verbesserung des Hörvermögens. Auch die eigentlich in der Praxis unbrauchbare Live-Mithören Funktion für Apple AirPods sollte mit dem iOS 14 und den AirPods Pro hinsichtlich ihrer Latenz verbessert werden. Doch das gelang den Appleianern bisher nicht wirklich.

Bei diesen Anfängen wird es sicher nicht bleiben, und Gamechanging kann es für Earbuds oder Hearables wirklich werden, wenn audiologisches Know-how ins Spiel kommt. Die beschriebene Transaktion unterliegt der Genehmigung der Regulierungsbehörden und soll in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres 2021 abgeschlossen werden.