Das komplette Interview mit Dr. Beckstein

Im Gespräch mit meinhoergeraet.de schildert Dr. Beckstein seine Erfahrungen mit Hörgerät und Cochlea Implantat.

„Ich habe mit der Technik meine körperliche Beeinträchtigung voll ausgleichen können.“

Im exklusiven Interview mit dem bayerischen Innenminister und Ministerpräsident a. D., Dr. Günther Beckstein, spricht der ehemalige Politiker über seine Schwerhörigkeit. Er berichtet, wie er seinen ersten Hörsturz erlebt und was die Diagnose für sein Berufsleben bedeutet hat. Auch schildert er Situationen aus seinem Alltag und wie es für ihn war, sich an das neue Hörgefühl mit einem Hörgerät sowie später auch mit einem Cochlea-Implantat zu gewöhnen. Für ihn steht fest: Gutes Hören ist Lebensqualität und deshalb appelliert er immer wieder: Wer Hörprobleme hat, sollte frühzeitig zum Hörgeräteakustiker gehen!

Dr. Beckstein steht im Interview Rede und Antwort zu folgenden Themen

Herr Dr. Beckstein, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen und für dieses Interview. Sie gehen ja sehr offen mit Ihrer Schwerhörigkeit und Ihren Hörlösungen um. Warum ist das so?

Dr. Beckstein: Als ich Hörprobleme bekommen hatte – ich habe Hörstürze gehabt und war dann natürlich im Klinikum mit Behandlung – hat der Arzt gesagt, ich solle ein Hörgerät haben. Ich habe mir überlegt, wie ich damit umgehe. Damals war ich ja noch in der Politik aktiv tätig. Ich wollte sogar noch weiter aufsteigen, sodass es für meinen beruflichen Weg auch wichtig war. Ich habe mir dann überlegt, wenn man es versuchte geheimzuhalten – also zum Beispiel versucht, Hörgeräte unter den Haaren zu verstecken, oder ein möglichst kleines Gerät zu nehmen – dass dann die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass es irgendwann zu einer großen Entdeckung hochstilisiert würde und die Medien dann eine riesige Meldung daraus machten. Dann habe ich weiter überlegt, es wäre eigentlich ziemlich verrückt, beim Hörgerät darauf zu achten, wie groß oder klein es ist. Es soll ja funktionieren, möglichst gut die Behinderung ausgleichen. Darum habe ich mich dann entschlossen – nach Rücksprache mit meiner Frau und mit meinem Öffentlichkeitschef – dass wir es ganz offensiv mitteilen. Wir haben die BILD-Zeitung eingeladen und haben eine Pressekonferenz darüber gehalten, in der ich sagte: „Ich bin schwerhörig. Aber es gehört zum normalen Leben, dass man auch mit Behinderungen fertig wird.“ Und deswegen habe ich mein erstes Hörgerät damals über die Medien vorgestellt.

Im Jahr 2004 hatten Sie mehrere Hörstürze. Wie ist es Ihnen damit ergangen? Wie war das für Sie?

Günther Beckstein im Gespräch über seinen ersten Hörsturz

Im Gespräch mit Marco Schulz berichtet Dr. Beckstein von seinem ersten Hörsturz.

Dr. Beckstein: Zunächst: Ich war beim einem großen Geburtstag mit fast, oder sogar mehr als 1.000 Leuten, saß an einem Tisch mit Prominenten, habe mich gut unterhalten. Plötzlich merke ich, dass ich nichts mehr höre. Ich sehe, dass der andere spricht, aber ich habe nichts mehr gehört. In meinem Alter hat man mit solchen Dingen ein bisschen Erfahrung, wie man das macht: Nämlich die Finger aneinander reiben am Ohr. Wenn man etwas hört, dann hat man keinen Hörsturz. Wenn man aber nichts mehr hört, dann ist die Wahrscheinlichkeit eines Hörsturzes groß. Ich bin am nächsten Morgen gleich zum Arzt. Der sagte mir dann auch direkt: Es ist ein Hörsturz.

Hatten Sie vorher bereits Anzeichen einer Schwerhörigkeit?

Dr. Beckstein: Mein Vater war im Alter sehr schwerhörig, sodass ich erblich belastet bin. Außerdem haben die meisten Männer im Alter Probleme mit dem guten Hören.

Woher kam die Motivation, zu diesem Zeitpunkt zu einem Hörgeräteakustiker und einem HNO-Arzt zu gehen?

Dr. Beckstein: Wenn man einen Hörsturz hat, dann ist es glaube ich eine Selbstverständlichkeit, dass man sich sofort in medizinische Behandlung begibt. Von daher war es keine große Entscheidung, sondern selbstverständlich: „Ich gehe zum Arzt.“ Das war dann im Klinikum in Nürnberg. Mir wurde eine Infusion gelegt und ich wurde eine gewisse Zeit auch stationär behandelt. Ich habe dort den Ratschlag erhalten, zu einem guten Hörgeräteakustiker zu gehen – das habe ich dann auch gemacht.

Wie ging es weiter? Sie waren dann beim Akustiker?

Dr. Beckstein: Ja. Das ist eine mühsame Arbeit. Zum Beispiel eine Brille anpassen, das macht man in einer bis eineinhalb Stunden, das schwierigste bei der Brille ist die Farbe und die Optik. Beim Hörgerät kam es mir wie gesagt überhaupt nicht darauf an, wie groß oder schön es ist, sondern dass es möglichst gut funktioniert. Aber es ist ein mühsamer Anpassungsprozess. Die Hörgeräteakustikerin hat sich große Mühe gegeben, hat das mit sehr viel Einfühlungsvermögen gemacht. Sie hat immer, wenn ich nach einiger Zeit wirklich nicht mehr gemerkt habe, ob jetzt etwas höre oder nicht bei diesen andauernden Tests mit einsilbigen Worten, bei denen es darum geht, was man hört und was nicht mehr, entweder einen Kaffee angeboten oder auch einen neuen Termin. Jedenfalls waren es einige Sitzungen. Wir haben dann ein für mich recht passables Ergebnis erzielt. Ich habe zunächst an einem Ohr ein Hörgerät gehabt, das ist dann später auch beim zweiten Ohr nachgeholt worden.

Wie war es dann für Sie, sich an das neue Hören und an das neue Hörgefühl zu gewöhnen?

Dr. Beckstein: Die Technik vermittelt einen anderen Ton, aber ich habe das sehr sehr schnell verarbeitet. Ich habe gelernt, dass Hören sehr viel mit dem Gehirn zu tun hat und dass beispielsweise Tonfarben nicht objektiv gegeben sind, sondern erst vom Gehirn verarbeitet werden. Ich konnte auch sehr schnell wieder Musik hören. Ich bin jemand, der klassische Musik sehr schätzt. Mit dem Hörgerät habe ich meine Behinderung aus meiner Sicht wirklich gut ausgleichen können.

Sie standen zu der Zeit ja vollends im Berufsleben. Was hat sich durch das Hörgerät in welchen Situationen dort dann verbessert?

Dr. Beckstein erzählt von seinem ersten Hörgerät, das ihm ermöglichte, weiter seinem Beruf nachzugehen

Dr. Beckstein verdeutlicht, wie wichtig gutes Hören im Berufsleben ist.

Dr. Beckstein: Ich war ja Innenminister – das ist ja der spannendste Job den man nur haben kann. Wenn irgendetwas passiert, sei es Katastrophenalarm oder ein großes Verbrechen: Man ist ja immer der oberste Verantwortliche. Ich war stets rund um die Uhr erreichbar, hatte wichtige Entscheidungen zu treffen. Dabei ist es beispielsweise in Konferenzen wichtig, alles zu verstehen. Es wäre nichts peinlicher, als alle paar Augenblicke „Wie bitte?“ zu rufen, gerade bei Besprechungen eines Krisenstabs. Das hat aber wirklich gut funktioniert, sodass ich wieder durchaus normal an all den Sitzungen teilnehmen konnte, ohne dass ich gespürt hätte, irgendwie eingeschränkt zu sein. Nochmal: Menschen in höherem Alter hören ja sowieso nicht mehr wie Luchse, sondern sind da schon ein Stück eingeschränkt. Ich habe da mit der Technik meine körperliche Beeinträchtigung voll ausgleichen können.

Wie waren damals die Reaktionen Ihrer Mitstreiter und Kollegen?

Dr. Beckstein: Es hat schon einige gegeben, die nachgefragt haben. Ich habe einigen dann gesagt, „Bei dir wäre es auch ganz gut, du hörst ja selbst recht schlecht.“ – die haben dann etwas sauer reagiert. Die allermeisten waren einfach interessiert. Was allerdings hinter meinem Rücken geredet worden ist, das weiß ich nicht – es interessiert mich bis heute aber auch nicht. Es war mir klar, dass sich so mancher fragte, wann ich mein Amt aufgeben würde, oder ob ich doch noch voll da bin. Aber jeder, der einigermaßen die Medien verfolgt hat, weiß, dass ich in dieser Zeit noch unheimlich aktiv war. Ich bin 2005 ja sogar Kandidat für das Kompetenz-Team Frau Merkels geworden. Von daher war es völlig klar, dass ich nicht nur eingeschränkt funktionsfähig bin.

Im Sommer 2010 wurde Ihnen dann auf der linken Seite ein Cochlea-Implantat eingesetzt – wie kam es dazu?

Dr. Beckstein: Ich habe auf die politischen Ämter im Jahr 2008 verzichtet und hatte dann in 2009 weiter deutliche Beeinträchtigungen des Hörvermögens. Ein Jahr später dann, im Frühjahr 2010, hatte ich eine starke Erkältung mit Stirnhöhlenvereiterung, die mich sehr sehr belastet hat. Ich hatte große Hörbeschwerden und bin mit dem Hörgerät auch nach mehrfacher Anpassung nicht zurande gekommen. Die behandelten Ärzte hatten dann zunächst gemessen und dabei festgestellt, dass ich nur noch 15 Prozent der einsilbigen Worte verstehe. Mir wurde mitgeteilt, dass hierbei ein Hörgerät nicht mehr helfen könne. Man müsse sich ein Cochlea-Implantat machen lassen. Nachdem das schon ein nennenswerter Eingriff ist, habe ich noch einen zweiten Rat eingeholt. Ich war bei einem weiteren Arzt. Der kam zum selben Ergebnis. Ich habe dann die Operation in Erlangen bei Prof. Dr. Iro vornehmen lassen. Zunächst aber nochmal alle Tests – die sind sehr mühsam. Dann wird noch über mögliche Risiken belehrt, die in großer Zahl genannt werden. Eben die üblichen Absicherungen über alle Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Ärzte. Ich war jedoch von Anfang an entschlossen, die Operation durchführen zu lassen. Die ist dann auch erfolgt, unter Vollnarkose in drei Stunden. In der Zwischenzeit geht es auch schneller. Danach wurde mir gesagt, dass die Anpassung an das Cochlea-Implantat, das CI-Hören, ein mühsamer Prozess ist. Ich wurde darauf eingestellt, dass ich noch einige Tage in die Klinik kommen muss. Es ging bei mir dann aber überraschend schnell. In drei, vier Stunden war das zunächst einmal schon so weit, dass die erste Runde erfüllt war. Aber das Hören war zunächst wie so eine quäkende Computerstimme. Erst im Laufe der Zeit ist das vom Gehirn so verarbeitet worden, dass ich Stimmen wieder normal gehört habe. Mit der Musik dagegen hat es lange gedauert – mehr als zwei Jahre waren es, bis ich auch feine Töne von Geigen, einer Harfe oder der Zitter hören konnte. In der Zwischenzeit komme ich mit dem CI jedoch auch bei Musik gut klar. Ich habe auch ein Programm, das ich „Oktoberfest“ nenne. Dieses filtert Hintergrundlärm einigermaßen heraus.

Wie hat denn Ihre Familie – Ihre Frau, Ihre Kinder, vielleicht auch Ihre Enkelkinder – auf die Hörgeräte und dann auch auf das Cochlea-Implantat reagiert?

Dr. Beckstein möchte seine Hörhilfen im Alttag nicht mehr missen.

Günther Beckstein schildert seine Erfahrungen in alltäglichen Situationen mit seinen Hörhilfen.

Dr. Beckstein: Meine Frau hat sehr darauf gedrängt, dass ich mich um mein Hören kümmere. Wir hatten es ja schon bei meinem Vater erlebt. Da war es im hohen Alter eigentlich schon viel zu spät, sich ein Hörgerät verschreiben zu lassen. Er ist dann nämlich nicht sehr gut damit zurecht gekommen. Er hat stets beklagt, sehr viele Nebengeräusche zu hören. Das waren Geräusche, die er vorher über Jahre hinweg verlernt hatte zu hören. Daher war es sehr schwierig sich mit ihm zu unterhalten. Man musste ihn immer wieder auffordern, sein Hörgerät zu tragen. Da hat er aber auch nicht ordentlich gehört. Genau das hatte meine Frau mir mit großer Deutlichkeit klargemacht. Genau das wollte sie mit mir nicht haben. Ich hatte mich gefälligst früh darum zu kümmern, aber das war mir selbst auch bewusst. Im Berufsleben zu stehen heißt: Gut Hören ist existenziell wichtig! Wenn man bei einer Debatte im Bundestag oder im Bundesrat nicht mitbekommt, was ein Zwischenrufer sagt, ist das peinlich. Oder wenn man in einer Talkshow sitzt und die fragende Redakteurin oder die Moderatorin nicht versteht, dann wird man nicht noch einmal eingeladen. Für mich war es also von ganz ganz großer Bedeutung, mich um das Thema Hören zu kümmern. Darum gehe ich jetzt auch bewusst so offen damit um und sage den Menschen: Jeder soll sich darum kümmern – und zwar nicht erst, wenn er gar nichts mehr hört. Man muss es frühzeitig überprüfen, in dem man Hörtests macht. Je eher man ein Hörgerät braucht und je eher man es tatsächlich auch verwendet, desto geringer sind die Schwierigkeiten und desto weitergehend kann das ausgeglichen werden. Wenn man erst wartet, bis das Gehirn das Hören verlernt hat, wird es ein mühsamer Prozess. Wenn man es aber bald macht, geht es sehr sehr viel einfacher. Darum sage ich den Menschen, sie sollen die Chancen der Technik nutzen, zumal sich die Krankenkassen in der Zwischenzeit da insgesamt recht gut beteiligen bei den Kosten.

Wie viele Freunde und Bekannte konnten Sie denn bisher überzeugen, zum Akustiker zu gehen?

Dr. Beckstein: Eine ganze Reihe schon – ich bin ein Mensch der Leute direkt anspricht und sagt: „Also du gehörst längst zum Akustiker!“ Einige haben es gemacht, nicht alle. Aber bei denen, bei denen es nicht erfolgreich war, da werde ich nochmal nachbohren. Ich habe auch sehr viele Anfragen von Menschen, die mich beispielsweise in einer Talkshow sehen, die ganz bewusst sagen, sie möchten nicht zum Arzt gehen oder einen Akustiker fragen. Sie fragen mich dann, was ich ihnen empfehlen kann. Denen antworte ich das gleiche. Es kommt mir darauf an, anderen Menschen an meinen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Die Botschaft muss sein: Bei vielen Beeinträchtigungen beim Hören kann man heute durch Technik und gute Anpassung eine Menge ausgleichen.

In welchen Situationen – vielleicht auch aus dem Privaten – sind Sie denn besonders froh und glücklich darüber, dass Sie sich für eine Versorgung entschieden haben?

Dr. Beckstein: Eigentlich immer. Es gibt nahezu jeden Tag Momente, in denen ich irgendwann daran denke und mir sage „Wunderbar, dass ich wieder ordentlich höre!“ – Ich habe beim Telefonieren keine Probleme, ich habe in Gesprächen keine Probleme. Wenn ich das CI morgens noch nicht anhabe – nachts trage ich die Hörgeräte nicht, oder beim duschen habe ich natürlich auch keines der Geräte an – also wenn ich beispielsweise beim Frühstück ohne meine Hörgeräte erscheine, dann sagt mir meine Frau schnell, dass Sie mit mir reden will und ich auch etwas hören soll. Dann trage ich die Geräte natürlich. Von daher ist es für mich überall wichtig. Gerade auch, wenn man sich irgendwo fremdsprachig unterhält. Oder bei den Enkeln, die noch nicht gut sprechen können: Da ist es wirklich eine große Herausforderung. Dennoch sage ich: „Gott sei Dank“. Ich kann nur jedem empfehlen, der Hörprobleme hat, sich darum zu kümmern. Es ist erstaunlich, was moderne Medizin und moderne Technik leisten.

Das Verstehen in geselligen Runde in einer Gaststätte, am Stammtisch oder bei Geburtstagsrunden ist ja für Schwerhörige, aber auch für Hörgeräteträger immer eine sehr herausfordernde Situation. Sie hatten eingangs von Ihrem Oktoberfest-Programm gesprochen – was macht dieses denn genau?

Dank des „Oktoberfest-Programms“ hört Beckstein auch in akustisch anspruchsvollen Situtaionen gut.

Dr. Günther Beckstein erklärt das „Oktoberfest-Programm“ seines Cochlea Implantats

Dr. Beckstein: Dieses Programm soll Hintergrundgeräusche herausfiltern. Im Bierzelt spielt in großer Entfernung eine Blaskapelle, der allgemeine Geräuschpegel ist sehr hoch. Das wird mit Hilfe dieses Programms vom Gerät zumindest zum Teil herausgefiltert. Es ist so, dass ich zum Beispiel in manchen Situationen im Bierzelt besser höre, als Leute ohne Hörgerät oder ohne CI. Schließlich ist es für jeden eine große Herausforderung. Wo es nicht so optimal funktioniert ist in kleiner Runde – dort erkennt das Gerät nicht so gut, was ist Hintergrund und was ist Gerede der Leute, wie es eben bei einer Einladung zu einer geselligen Runde ist, wenn man bei einem Bier oder einem Glas Wein zusammensitzt und mehrere durcheinander erzählen. Aber auch wenn es dort nicht so viel hilft, gerade in Hallen oder Bierzelten, wo echter Hintergrundlärm herausgefiltert wird, sind solche Programme sehr hilfreich.

Wie klappt es mit Telefonaten?

Dr. Beckstein: Da habe ich nicht die Notwendigkeit der Induktion, sondern mache das mit dem normalen Hörer. Sowohl am Handy als auch beim Festnetztelefon geht das ohne Probleme. Ich habe allerdings die technischen Voraussetzungen, dass ich überall mit Induktion arbeiten könnte.

Das bedeutet, Sie sind jemand, der mit Fug und Recht unterstreichen würde: Gut Hören ist Lebensqualität?

Dr. Beckstein: Natürlich! Wenn man selbst Probleme mit dem Hören hat, dann versteht man ja was von der ganzen Geschichte. Ich bin hierbei ein halber Arzt, sage ich salopp. Nicht von der Behandlung, aber von der Diagnose. Ich bekomme bei vielen Gesprächen mit, dass der Gesprächspartner zwar oft nicht gut hört, dies aber nicht gelten lassen will. Dann kommen Allgemeinsätze bei Reaktionen, die darauf schließen lassen, dass das Vorhergehende nicht gehört oder verstanden wurde. Beim ersten Mal wird noch „Wie bitte?“ gefragt, beim zweiten Mal „Ich habe Sie nicht ganz verstanden.“ und beim dritten Mal „Bitte sprechen Sie deutlicher.“ Danach ist es aber oft schon peinlich und man traut sich nicht mehr zu fragen, antwortet vielleicht etwas, das gar nicht zur Frage passt. Das sind wirklich ganz unerfreuliche Situationen. Ich kenne Leute, die – weil sie schlecht hören – sich aus der Gesellschaft zurückziehen und vereinsamen. Aber das ist der völlig falsche Weg! Je weniger man übt, desto schwieriger wird es.

Sie erzählen ja immer gerne von Ihrer Hörgeräteakustikerin – Was macht denn für Sie eine gute Hörgeräte-Beratung aus?

Dr. Beckstein: Ich erzähle in der Tat gerne von ihr, weil ich die Dame unheimlich schätze und weil sie sich mit großer Geduld und Sachkunde Mühe gibt, eine präzise Diagnose darüber zu stellen, wie das Hören ist. Dann ist es so, dass die einzelnen Frequenzen auf mich einzustellen, große Geduld verlangt und eben viel Sachkunde. Bei einem ungeduldigen Menschen wie mir, ist es doppelt wichtig. Sie macht das wirklich ausgezeichnet. Ich kann auch nur jedem raten, dass er zum Akustiker geht und nicht versucht, über Internet sich ein Hörgerät zu bestellen. Ich kaufe mir viele Geräte – offen gestanden – über Internet; Aber ein Hörgerät ohne eine qualifizierte Anpassung ist völlig nutzlos. Das kann man auch nicht mit irgendwelchen Tricks selbst machen, sonder die einzelnen Frequenzen müssen gemessen werden. Dazu braucht man die Geräte, die eben nur der Akustiker hat. Ich kann wirklich nur jedem in seinem eigenen Interesse sagen, ohne dass ich für jemanden Werbung machen möchte: Man muss beim Hörgerät ganz entscheidend Wert drauf legen, dass man ganz qualifizierte Beratung hat und dass die Anpassung in großer Sorgfalt vorgenommen wird. Nur wenn die Anpassung wirklich qualifiziert gemacht wird, dann kann man aus der Technik das Beste rausholen. Mit dem eigenen Ansetzen klappt das nie.

Sind Sie heute mit Ihrer Versorgung vollends zufrieden? Oder gibt es noch Grenzen?

Dr. Günther Beckstein ist dankbar für die fortschrittlichen Entwicklungen von Hörgeräten.

Günther Beckstein ist zufrieden mit seinen Hörhilfen: „Wunderbar, dass ich wieder ordentlich höre!“

Dr. Beckstein: Natürlich höre ich nicht wie ein Junge. Mit 15 oder 20 Jahren habe ich sehr viel besser gehört. Aber für das, wie ich es für mein Alter angemessen halte, kann ich sagen: Ich bin wirklich sehr zufrieden. Ich komme mit dem CI sehr gut zurecht. Mittlerweile habe ich ein anderes Hörgerät. Was bei meinen Hörgeräten immer störend ist, ist Wind. Windgeräusche sind beim Hörgerät sehr unangenehm. Ich habe das bei meinem letzten Besuch bei Siemens Hörgeräte sehr eindringlich geschildert. Sie haben mich dann direkt mit ins Labor geschleppt und haben alle möglichen Versuche gemacht. Es ist zwar besser geworden, aber noch nicht gut. Dennoch muss ich insgesamt sagen, dass gerade die Fortschritte, die in der Hörgerätetechnik geleistet wurden, enorm sind. Mein neuestes Gerät hat wirklich eine viel bessere Qualität als das erste, das ich vor elf Jahren hatte. Und wie gesagt komme ich ebenfalls mit dem CI gut zurande, auch in unterschiedlichen Hörsituationen. Ich kann unterschiedliche Lautstärken einstellen – selbst in akustisch schwierigen Situationen. Gerade gestern Abend habe ich einer Kirche in Neustadt bei Coburg nicht nur einen Vortrag gehalten, sondern auch Diskussionen geführt. Wenn Wortmeldungen aus dem Kirchenschiff herauskommen – das ist so ziemlich die schwierigste Hörgeräte-Situation, die man sich vorstellen kann. Ich bin dennoch so damit zurecht gekommen, dass ich selbst die Fragen und Diskussionsbeiträge gehört habe. Da sage ich mir selbst schon jedes Mal: „Gott sei Dank. Was Technik und geduldige Menschen da an mir geschafft haben, das ist wirklich toll!“

Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit.