Im Gespräch mit Widex-Geschäftsführer Kay Buchhauser

Im Gespräch mit Widex-Geschäftsführer Kay Buchhauser

Mit Widex den richtigen Moment finden

Eigentlich wollten wir uns im Ende März treffen. Mit AHA und dem gemeinsamen Wunsch eines persönlichen Treffens war es im September endlich soweit. Seit anderthalb Jahren verantwortet Kay Buchhauser das Geschäft von Widex in Deutschland. Als vorheriger Vertriebs- und Marketingleiter kennt er den Markt bestens. Welchen Stellenwert SoundSense Learn für den Markt hat, und wie das MOMENT gestartet ist, waren nur einige Themen unseres Treffens.

Vorab: Künstliche Intelligenz (KI) ist ja eines der technologischen Schwerpunktthemen der letzten Jahre. Der Begriff ist „fast“ schon zum Buzzword mutiert. Aber: Nicht überall, wo KI drauf steht, ist auch KI drin. Schnell wird klar: Liest man sich ein wenig in die Features der Hersteller ein, wird es schnell dünn.

Es gibt einen Unterschied zwischen intelligenten Algorithmen, also systemischen Anweisungen nach einer gewissen Logik und gespeicherten Daten, und der Verarbeitung solcher Informationen zu neuen Anweisungen. Bereits 2018 launchte Widex mit SoundSense Learn die erste am Markt existierende Lösung hierfür. Künstliche Intelligenz hielt erstmalig Einzug in den Hörgerätemarkt. Doch was bringt das HörgerätenutzerInnen und HörakustikerInnen?

Das Interview

Marco Schulz und Kay Buchhauser vor dem Gespräch

Marco Schulz: Vor welchen Herausforderungen wird der Hörakustik-Markt in Deutschland Ihrer Ansicht nach in den kommenden fünf Jahren stehen?

Kay Buchhauser: Fakt ist, dass die sich Consumer Journey der Endkunden fortwährend ändert: Der klassische Versorgungsweg ändert sich durch Informationen aus dem Internet, Optionen zur Fernanpassung und neue Daten, die für die Signalverarbeitung zur Verfügung stehen, Stichpunkt Sensorik oder Erkennung der Stimme der TrägerInnen.

Zudem haben sich die Kundenanforderungen geändert. Ein spontanes, positives Klangerlebnis, bestmöglicher, natürlicher Klang, personalisierte Hörerlebnisse und weniger Nachsorge. Das sind im Wesentlichen die Aspekte, die wir in unserer DNA haben. Daher verstehen wir uns als Partner für die HörakustikerInnen, diesen Wandel nicht nur mitzugehen, sondern ihn für sich selbst zu gestalten.

MS: Die ganze Branche redet ja seit circa zwei Jahren von KI. Tatsächlich ist Widex der einzige Hersteller, der mit SoundSense Learn wirklich damit arbeitet. Wie sind die Rückmeldungen der HörakustikerInnen und vor allem der NutzerInnen?

KB: Kern unserer KI mit SoundSense Learn ist die Klangoptimierung in der aktuellen Hörsituation. Ist der Nutzer im Café mit dem Verstehen oder dem Klang nicht zufrieden, wird SoundSense Learn quasi zum Hörbegleiter. Mit einfachen A oder B Antworten können die NutzerInnen schrittweise die gewünschte Verbesserung herbeiführen und individuelle Programme abspeichern. Die werden übrigens weit häufiger genutzt als vorprogrammierte.

Der Vorteil im Vergleich zur Anpassung lösgelöst von der erfahrenen Hörsituation liegt also auf der Hand: Der Hörerlebnis und damit das Hörsystem werden durch den Nutzer selbst personalisiert. Die Identifikation mit dem Hörsystem steigt und genau an dieser Stelle können HörakustikerInnen beim nächsten Besuch erneut ansetzen. Denn auf datenschutzrechtlicher Grundlage können HörakustikerInnen mit Real-Life Insights auf die Einstellungen der Lieblingsprogramme und deren Nutzung zugreifen und zielgerichtet beraten.

Die Entwicklung dieses Ansatzes dauerte dreieinbalb Jahre und mittlerweile liegen hunderttausende Datensätze und damit für den Nutzer vergleichbare Profile vor. Um es deutlich zu machen: Am Anfang waren circa 20 A/B Antworten nötig, heute sind es nur noch 15. Das System tut also das, was es soll: lernen. Im Ergebnis haben wir einen zufriedenen Nutzer und damit auch zufriedene HörakustikerInnen. Beide kommen schneller als Ziel. 

MS: SoundSense Learn ist damals als Cloudbasierte Lösung eingeführt worden. Werden die Bedürfnisanpassungen weltweit in Echtzeit übertragen? 

KB: Grundlage ist die Anonymität und die anfängliche Zustimmung der KundenInnen. Die Einstellungen, Programme und Daten-Cluster werden in der App gespeichert und bei einer Internetverbindung in Cloud hochgeladen. Um die Künstliche Intelligenz für die einzelnen Anwender in Zukunft noch präziser zu gestalten, lernt das System aus den übermittelten Bewertungen.

Unsere Reise geht in diese Richtung weiter und ist wesentlicher Bestandteil für Entwicklung neuer Produktlinien. Nächstes Jahr kann man also gespannt sein, was da noch kommt.

MS: Meiner Meinung nach war in den letzten Monaten etwas ruhig um Widex geworden. Das hat sich mit dem Launch des MOMENT Anfang März geändert. Ist Widex also wieder zurück?

KB: Wir äußern uns dann, wenn es relevant und wichtig wird. Schauen Sie, erst im November letzten Jahres haben wir das Evoke BTE mit 13er Batterie und das neue Passion RIC 10 auf den Markt gebracht. Zwei wichtige Modelle, deren Erfolg nicht lange auf sich warten ließ.

Doch schauen wir auf das MOMENT: Wenn man einmal den Genuss von PureSound gekommen ist, versteht man sicher, dass wir den Markt nicht bis zum Ende des Jahres warten lassen wollten. Die Entwicklung und die Produktion liefen auf Hochtouren, so dass wir MOMENT im März bereits neun Monate früher als geplant auf den Markt gebracht haben. Um es anders auszudrücken: Wir wollten dem Markt PureSound nicht länger vorenthalten. Über die Relevanz für die EndkundenInnen und unsere Mission hatten wir eingangs gesprochen: bestmöglicher Klang.

Kay Buchauser präsentiert das neue Li-Ionen Modell MOMENT mRIC

MS: Das MOMENT soll ja nicht so klingen wie ein Hörgerät. Was klingt denn so anders am MOMENT?

KB: Wir wissen, dass ein Drittel aller Endkunden sich eben nicht für Hörgeräte entscheiden, weil das eigene Klangerlebnis noch so nah an der Erinnerung ist. Dieser Effekt lässt sich vor allem bei leichten und mittleren Hörminderungen und ErstnutzerInnen beobachten. Aber wollen wir nicht genau diese Kunden begeistern? Wollen wir nicht aus einem Zweifler einen Überzeugten machen?

Gerade Erstanwender weisen oft geringe bis mittelgradige Hörminderungen auf, die offen versorgt werden. Genau hierfür wurde PureSound entwickelt. Bei offenen Versorgungen gibt es einen kleinen zeitlichen Versatz zwischen dem Schall, der direkt ans Trommelfell gelangt und dem, der durch das Hörsystem verarbeitet wird. Diese akustischen Artefakte sind bei den üblichen Durchlaufgeschwindigkeiten von Hörsystemen hörbar und sorgen für einen künstlichen Klang.

PureSound verarbeitet den Schall 10x schneller und eliminiert so diese Verzerrungen als einziges digitales Hörsystem. Das führt dazu, dass sich MOMENT besonders natürlich anhört. Ich habe es selbst natürlich getestet und kann überzeugt sagen: Ich war begeistert und verstand den Wunsch, mit diesem Gerät schneller als geplant auf den Markt zu kommen.

MS: Vielen Dank für die Einblicke und das Gespräch.

Fazit: SoundSense Learn und MOMENT

Widex definiert mit SoundSense Learn einen sehr Nutzerzentrierten Ansatz: Die InSitu Personalisierung und die Integration der Nutzererfahrung in die Beratung durch die HörakustikerInnen sind Aspekte, die die Anpassung auf ein neues Niveau heben. Ausgehend von den Bedürfnissen nach einfacher, zeitgemäßer Handhabung und natürlichen Klang ist das Widex MOMENT die konsequente Fortsetzung dieser Philosophie nach Evoke.

Zum Weiterlesen:

Widex besetzt Vertriebsleitung neu

Neues Hörsystem Widex MOMENT soll nicht nach Hörsystem klingen


Ihr Autor: Marco Schulz

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