Dezentrale Ausbildung: Nordrhein-Westfalen bildet Hörakustiker selbst aus

Dezentrale Ausbildung: Nordrhein-Westfalen bildet Hörakustiker selbst aus

Zentrale Bundeseinrichtung für Hörakustik wird gesplittet: NRW übernimmt schulische Ausbildung selbst

Seit mehr als 40 Jahren kann die Bundesinnung für Hörakustik auf eine hochqualifizierte Ausbildung angehender Hörakustiker am zentralen Ausbildungsstandort in Lübeck zurückblicken. Eine stete Anpassung der Ausbildungsinhalte, eng verknüpft an die technologischen Fortschritte der Hörgeräteindustrie und Ergebnisse internationaler Forschungsinstitutionen, sichert nicht nur eine qualitativ hochwertige Zukunft des Hörakustiks-Handwerks sondern ist auch Bildungskonzept, was  international begehrt und geschätzt wird. Gerade die Einheit von Hörakustik-Fachgeschäft als Ausbildungsstätte und Bundesinnung für Hörakustik als Bildungsstätte, sorgt bundesweit für das qualitativ hochwertige Ausbildungsniveau der Hörakustiker.

NRW setzt auf eigene Wege in der Hörakustik-Ausbildung

Doch nun bricht ein Bundesland aus und möchte eigene Wege gehen. Bereits zum Schuljahr 2016 /2017 wurden an zwei Standorten in Nordrhein-Westfalen Berufsschulklassen zur Ausbildung von Hörakustikern im eigenen Bundesland eingerichtet. Gleich zwei Berufsschulstandorte in Recklinghausen und Duisburg sollen 40 Jahre Bildungserfahrung der Biha im Hörakustik-Handwerk binnen kürzester Zeit ersetzen. Dazu wurden in dem bestehenden Augenoptik- und Orthopädie-Berufsschulzentrum jeweils eine Klasse zur Ausbildung von Hörakustikern eingerichtet. Insgesamt haben 54 Auszubildende in NRW ihre schulische Ausbildung zum Hörakustiker im August 2016 begonnen. Kleiner Wermutstropfen dabei ist, dass die überbetriebliche Ausbildung und die Gesamtprüfung wie gewohnt an der Akademie für Hörakustik, kurz afh, in Lübeck stattfindet. Die Frage ist also auch, ob die Initiative des Landes NRW einen einheitlichen bundesweiten Ausbildungsstandard sicherstellt, der im Hörakustik-Handwerk so geschätzt wird?

Ausbildung zum Hörakustiker in NRW vorteilhaft?

Die Meinungen spalten sich und auch der wirtschaftliche Vorteil für NRW ist fraglich. Denn neben der Ausstattung mit dem benötigten Equipment, welches ein Hörakustiker benötigt, sind auch entsprechend qualifizierte Lehrkräfte erforderlich. Investitionen, die das mit 180 Millionen und damit mit Abstand am weitesten verschuldete Bundesland nicht gerade zum Abtragen des Schuldenberges beitragen. Laut NRW-Landesregierung fallen für die aktuell 54 Lehrlinge 1,296 Lehrkräfte zusätzlich an. Aufgeteilt auf Recklinghausen und Düsseldorf entspricht dies einen Lehreranteil von 0,024 Lehrer pro Schüler. Ob die fachlich konzentrierte und auch sehr persönliche Betreuung, wie sie in Lübeck gelebt und forciert wird, damit gewährleistet ist, bleibt natürlich abzuwarten.

Die Entscheidung des Bildungsministeriums in NRW diesen eigenen Weg einzuschlagen und sich damit von einer international angesehenen Bildungseinrichtung zu distanzieren, lässt sich für uns schwer nachvollziehen. Natürlich ist ein kurzer Weg vom Ausbildungsort zur Berufsschule für die Lehrlinge begrüßenswert, aber rechtfertigt das diese Investition öffentlicher Mittel? Insbesondere weil das Konzept LBS Lübeck seit Jahrzehnten erfolgreich funktioniert.

Bild: afh