Doppelblind-Studie: Hörgeräteanpassung via Real-Ear-Messung

Doppelblind-Studie: Hörgeräteanpassung via Real-Ear-Messung

Ein amerikanisches Forscherteam um Michael Valente, PhD, an der Washington University in St. Louis untersuchte in einer Doppelblindstudie1 ob es signifikante Unterschiede in der Spracherkennung zwischen einer Hörgeräte-Anpassung mit First Fit und Real-Ear-Messung (REM) gibt. Die Studie, die im September 2018 in der Fachzeitschrift der American Academy of Audiology (JAAA) veröffentlicht wurde zeigte, dass sich mit REM eine durchschnittlich 15% bessere Worterkennung (gemessen bei 50dB SPL) erzielen lässt. Zudem bevorzugten 79% aller Studienteilnehmer die nach REM angepassten Hörsysteme im Vergleich zu denen der Erstanpassung nach First Fit.

Nach Schätzungen der American Academy of Audiology (AAA) und der American Speech Language Hearing Association (ASHA) werden nur 20 bis 30 Prozent der professionellen Hörsysteme unter Einbezug der tatsächlichen Ohrverstärkung (REM) angepasst. Vielmehr wird sich bei der Anpassung auf die werkseitige Standardeinstellung des First Fit verlassen, obgleich vielzählige Studien2 bereits signifikante Differenzen, gerade im Hochtonbereich, zwischen beiden Anpassverfahren festgestellt haben. In Deutschland dürften diese Zahlen wohl ähnlich liegen.

Vier von fünf Patienten bevorzugen nach REM angepasste Hörsysteme

Unity3: eine der möglichen Messmodule mit IMC2-Schnittstelle 
© Signia

Valente und seine Kollegen untersuchten insgesamt 24 Erwachsende mit leichter bis mittelschwerer Innenohrschwerhörigkeit, die bisher noch keine Erfahrungen mit Hörsystemen hatten. Dabei verwendeten sie Premium-Hörgeräte einer Marke mit 16 Kanälen. Beide Fitting-Methoden wurden dabei per Zufallsprinzip und in einem ausgeglichenen Verhältnis angewandt.

Anschließend untersuchte ein zweiter Prüfer, ohne zu wissen welche Anpass-methodik angewandt wurde, das Sprachverstehen in Ruhe und in Störgeräuschen und bewertete die subjektiven Ergebnisse (APHAB und SSQ). Zur Bestimmung der tatsächlichen Verstärkungsausgabe/ Gewinn kam ebenfalls REM zum Einsatz, jedoch nicht als Werkzeug zur Programmierung des Hörsystems. Alle Teilnehmer gewöhnten sich dann für vier Wochen an die jeweilige Einstellung bevor die zweite Messung zur Leistungsbewertung erfolgte.

Die Ergebnisse zeigten, dass 79 Prozent aller Probanden die Einstellung nach REM präferieren. Im Durchschnitt lieferte die Anpassung unter Berücksichtigung der Echtohrverstärkung ein um 15 Prozent besseres Sprachverstehen. Basierend auf APHAB konnte auch eine signifikante Verbesserung von Hintergrundgeräuschen um 4,2 Prozent festgestellt werden.

Michael Valente schlussfolgert: „Die Verwendung eines First-Fit allein ohne Umprogrammierung mit REM bedeutet, dass Hörgeräte blind eingesetzt werden und nicht bestimmt wird, ob der Patient auch weiche oder durchschnittliche Sprache gut verstehen kann. Der Audiologe oder Hörakustiker kann nie sicher sein, wieviel Verstärkung am Kundenohr ankommt, wenn er/sie ohne REM anpasst."3

Neuer HIMSA-Standard erleichtert Praxis von Real-Ear-Messungen

Der neue HIMSA-Standard IMC2 (Inter Modul Communication 2) erleichtert es Hörakustikern Real-Ear-Messungen durchzuführen. Es verknüpft Messmodul mit Anpassmodul und lässt beide miteinander agieren. Immer mehr Hörgeräte-Hersteller nutzen bereits die IMC2-Schnittstelle, um aus der Programmiersoftware heraus In-Situ-Messungen zu starten und die Ergebnisse in der Zielkurvenanpassung mit einzubeziehen. Mehr dazu, gibt’s in unserem Artikel zum Signia Innovation Days 2019.


Titelbild: Otometrics

1  Die Studie zum Nachlesen: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30222541

2  http://www.hearingreview.com/2005/11/the-accuracy-and-clinical-usefulness-of-manufacturer-predicted-rear-values-in-adult-hearing-aid-fittings/*
3  Studienzitat: Valente M, Oeding K, Brockmeyer A, Smith S, Kallogjeri D. Unterschiede in der Erkennung von Wörtern und Phänomenen in Ruhe, Satzerkennung in Lärm und subjektiven Ergebnissen zwischen First-Fit des Herstellers und Hörgeräten, die mit NAL-NL2 programmiert wurden -nahe Maßnahmen. J Am Acad Audiol. 2018; 29 (8): 706–721. Doi: 10.3766 / Jaaa.17005