Studie: Menschen schätzen ihr Hörvermögen oft falsch ein

Studie: Menschen schätzen ihr Hörvermögen oft falsch ein

Dass eine möglichst frühe Hörgeräteversorgung zu einer besseren Therapierbarkeit des Hörverlusts führt, fanden wir bereits in unserer Hörgerätestudie heraus. Laut einer Studie der Universität Manchester im Sommer 2020 ist das jedoch leichter gesagt als getan. Denn viele Menschen mit Hörverlust schätzen diesen weitaus geringer ein als er tatsächlich ist.

10.000 Menschen im Alter von 50 bis 89 Jahren wurden in Zuge einer Querschnittsanalyse audiometrisch untersucht. Vorher hatten sie ihre Hörfähigkeit auf einer Fünf-Punkte-Skala bewertet und zusätzlich angegeben, wie sehr Hintergrundgeräusche sie dabei beeinträchtigen, einem Gespräch zu folgen. Das Ergebnis: 30 Prozent der Probanden, bei denen ein Hörverlust von mehr als 35dB gemessen wurde, hatten diesen nicht so hoch eingeschätzt. Aber woher rühren diese Fehleinschätzungen?

Faktoren bei mäßigem Hörverlust

Die sogenannte Sprachbanane verdeutlicht den individuellen Hörverlust. Schwerhörigkeit beginnt schleichend bei den hohen Frequenzen, bleibt aber nicht nur deshalb häufig lange unbemerkt.
© biha

Die genaue Ursache, wieso so viele Teilnehmer ihr Gehör so falsch einschätzten, bleibt nur zu spekulieren. Es wurden bei der Studie jedoch Faktoren ermittelt, die eine statistische Häufung bilden.

Unter den Probanden mit mäßigem Hörverlust (35 dB bis 55 dB), die diesen vorher nicht bemerkt hatten, waren fast doppelt so viele Frauen wie Männer vertreten. Auch ein niedriges Bildungsniveau (37 Prozent höher) und eine einfache berufliche Tätigkeit (43 Prozent höher) erhöhten das Risiko, einen Hörverlust erst spät zu bemerken.

Wer gerne Tabak und Alkohol konsumiert und sich gleichzeitig wenig bewegt, der sollte besonders aufmerksam sein. Bei Tabakkonsum stieg das Risiko der Fehleinschätzung um 14 Prozent, bei regelmäßigem Alkoholkonsum um 13 Prozent und bei einem Mangel an körperlicher Aktivität sogar um 25 Prozent.

Mittlere bis starke Schwerhörigkeit

Besonders bei mittlerem bis starkem Hörverlust (ab 55 dB) war die Assoziation zwischen Alter und unbemerkter Schwerhörigkeit sehr prägnant. Im Vergleich zu den 50- bis 64-Jährigen verfünffachte sich das Risiko bei der Altersgruppe 65 bis 74 Jahre, bei den 75- bis 89-Jährigen war es sogar sechsmal so hoch.

Unter den Probanden mit mittlerer bis starker Schwerhörigkeit erhöhten auch die anderen Faktoren das Risiko der Fehleinschätzung ihres Hörverlusts enorm: Niedriges Bildungsniveau und ein einfacher Job verdoppelten es, Rauchen erhöhte es um 46 Prozent und regelmäßiger Alkoholkonsum um ganze 86 Prozent.

Selbsteinschätzung ersetzt keine audiologischen Messungen

Als Resümee der Studie, fassten Dr. Dialechti Tsimpida und ihr Team zusammen: „Die begrenzte Übereinstimmung von Eigenangaben und objektiven Hörtests unterstreicht die Bedeutung einer wirksamen und nachhaltigen Screeningstrategie für die Früherkennung von Schwerhörigkeit bei Erwachsenen“. Also: Nur weil man glaubt gut zu hören, muss das nicht stimmen.

Gelegentlich schadet es also nicht, einmal mit offenen Ohren den Alltagsgeräuschen zu lauschen und sich zu fragen: Verstehe ich wirklich alles, was um mich herum passiert? Falls nein, findet ein Hörakustiker in Ihrer Nähe gemeinsam mit Ihnen die passende Lösung, um dieses Stück Lebensqualität zurückzugewinnen.


Credits: 

Photo by krakenimages on Unsplash