Hilfe, ich brauche ein Hörgerät!

SWR-Autorin Sigrid Faltin dokumentiert Ihre Erfahrungen.

Als schwerhörig gelten bereits Menschen, die das Ticken einer Armbanduhr nicht mehr hören. Schwerhörigkeit gehört zu den meist unterschätzten Gesundheitsproblemen. Der Bedarf an Hörgeräten ist enorm und wächst von Tag zu Tag. Dennoch existiert in unserer Gesellschaft nach wie vor ein großes Akzeptanzproblem. Nur weil der Bedarf an Hörgeräten vorhanden ist, heißt dies nämlich noch lange nicht, dass alle Betroffenen eine Hörhilfe tragen. So leiden in Deutschland rund 15 Millionen Menschen unter einer Hörminderung, aber nur 2,5 Millionen davon tragen Hörgeräte.

Der Weg zum besseren Hören

Sicher fragen Sie sich nun, warum das so ist. Zum einen spielen falsche Eitelkeit und die Sorge, als alt abgestempelt zu werden, eine wichtige Rolle. Zum anderen setzen sich Hörgeräte-Träger selbst zu stark unter Druck. Sie erwarten, dass sie bereits nach dem ersten Tragen der Hörhilfe einwandfrei hören. Doch ganz so einfach ist es praktisch nicht. Die Eingewöhnung gehört zur Hörgeräteanpassung dazu. Das Gehör muss sich schließlich erst einmal an die neuen Hörgeräte gewöhnen und das „neue Hören“ erlernen. Doch wer Geduld beweist und seine Anpassungstermine beim Hörgeräteakustiker regelmäßig wahrnimmt, wird letztendlich mit einem besseren Hörvermögen und viel Lebensfreude belohnt.

Sigrid Faltin Hörgeräte SWR-Autorin Sigrid Faltin hat sich in diesem Zusammenhang für den Bericht „Hilfe, ich brauche ein Hörgerät!“ in die Tabuzone „Schwerhörigkeit“ begeben. Sie weiß bereits seit 17 Jahren, dass sich ihr Hörvermögen verschlechtert. Seitdem drückt sie sich vor einem Hörtest und den Folgen der Diagnose. Lesen Sie weiter, um die wichtigsten Erkenntnisse aus Faltins Bericht zu erfahren.

SWR-Autorin Sigrid Faltin über ihre Erfahrungen beim Hörgeräte-Kauf

Sigrid Faltin versuchte 17 Jahre lang, ihre Schwerhörigkeit zu verheimlichen. Gespräche in großen Runden wie beim Frauenstammtisch wurden für sie im Laufe der Jahre zur reinsten Qual. Dennoch wehrte sie sich all die Jahre vehement dagegen, ein Hörgerät zu tragen und las ihren Gesprächspartnern lieber von den Lippen. Und wenn es hart auf hart kommen würde, war sie immer der Meinung: „Lieber meide ich solche Situationen, bevor ich ein Hörgerät trage!“ Die bittere Wahrheit offenbarte Faltin schließlich ihr Mann bei einer gemeinsamen Joggingrunde. „Sag mal, weißt du wo meine Handschuhe sind“, fragte er damals. Und sie fragte völlig erstaunt zurück: „Wofür brauchst du denn jetzt deine Hausschuhe?“ Seine Reaktion darauf war eindeutig: „Es wird nun wirklich Zeit für ein Hörgerät!“

Dabei ist Faltin bei ihrem Frauenstammtisch nicht die einzige schwerhörige Person. Eine Freundin gesteht: „Ich habe ein Hörgerät, das ich nicht trage. Ich erzähle euch das nur, weil ich euch gut kenne.“ Lieber schummelt man sich eben durch. Doch dass dieses Verheimlichen Freundschaften sogar gefährden kann, zeigt die Aussage einer anderen Freundin aus der Runde. Da sie nichts von der Hörminderung wusste, hat sie ausbleibende Antworten oder gedankliches Abschweifen als Desinteresse an der Freundschaft und den Treffen gedeutet. Freundschaften aus Eitelkeit auf’s Spiel zu setzen, kommt für Faltin natürlich nicht in Frage. Also wagt sie den lange vor sich hergeschobenen Termin zum HNO-Arzt. Dieser untersucht die Ohren und das Hörvermögen u.a. mittels Hörtest ausführlich. Die Diagnose schwarz auf weiß: Schwerhörigkeit. Faltin versteht nur noch 50%.

Sigrid Faltin Hörgeräte Das nächste „Reiseziel“ durch die Welt der Hörgeräte lautet für Faltin also Hörgeräteakustiker. Dieser verdeutlich ihr nochmals den Unterschied zwischen gesundem Hören und Schwerhörigkeit. Zudem zeigt er ihr die verschiedenen Hörgeräte-Bauformen. Ein Im-Ohr-Hörgerät eignet sich für Faltin nicht. Sie muss zu einem klassischen Hinter-dem-Ohr-Gerät greifen und kann zwischen zwei verschiedenen Modellen wählen. Bei Model 1 übernimmt die Krankenkasse die Kosten komplett (siehe hierzu auch: Hörgeräte Zuzahlung Krankenkasse). Bei Model 2 müsste sie 4.000 Euro selbst zahlen. Faltin möchte zunächst Model 1 wählen. Doch nach einer Woche ist für sie der Klang des Hörgeräts unerträglich. Sie sucht den Hörgeräteakustiker ihres Vertrauens auf und bittet darum, Model 2 testen zu dürfen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht: Kein Grundrauschen mehr, keine Windgeräusche. Sie hört wieder Geräusche, die sie gar nicht mehr wahrgenommen hat – wie z.B. den Reißverschluss an ihrer Handtasche. Außerdem kann sie sich in lauter Umgebung wieder entspannt unterhalten. Kurz zusammengefasst: Faltin ist rundum zufrieden mit ihrem Hörgerät und erhält von ihrem Hörgeräteakustiker beim Hörgeräte-Kauf auch noch 500 € Rabatt.

So lassen sich aus Faltins Bericht 8 Empfehlungen für Sie formulieren:

  1. Testen Sie mindestens 1-2 verschiedene Hörgeräte-Modelle (Faltin hat in ihrem Bericht 7 verschiedene Modelle getestet). 
  2. Tragen Sie Ihr Hörgerät regelmäßig.
  3. Führen Sie ein Hörgeräte-Tagebuch, um festzuhalten, in welchen Situationen Sie besser und in welchen Sie schlechter hören.
  4. Absolvieren Sie ein Hörtraining.
  5. Achten Sie auf eine wöchentliche Grundreinigung Ihres Hörgeräts (siehe hierzu: Hörgeräte Reinigung).
  6. Wählen Sie einen Hörgeräteakustiker, dem Sie zu 100% vertrauen und bei dem Sie sich wohlfühlen.
  7. Vergleichen Sie die Angebote verschiedener Hörgeräteakustiker.
  8. Handeln Sie, sobald Sie erste Anzeichen einer Schwerhörigkeit bemerken. Je schneller Sie handeln, desto kürzer gestaltet sich der Hörgeräte-Anpassungsprozess.

 

Fotos: SWR